Interview zur Klima-Roadmap der GEWOBA

Netto-Null-CO2-Emissionen bis zum Jahr 2038 – diesem ehrgeizigen Ziel hat sich der Bremer Senat verpflichtet und ist damit der Empfehlung der vom Senat eingesetzten Enquetekommission gefolgt. Die Meilensteine dafür lauten: Gegenüber dem Referenzjahr 1990 sollen die CO2-Emissionen im Land Bremen insgesamt um mindestens 60 Prozent bis 2030, um mindestens 85 Prozent bis zum Jahr 2033 und um mindestens 95 Prozent bis zum Jahr 2038 reduziert werden. Im Sektor Gebäude/Wohnen wird bis 2030 eine Reduzierung um 69 Prozent angestrebt.

Was bedeutet das für die Klima-Roadmap der GEWOBA? Wie kann Bremens größtes Wohnungsunternehmen seiner Vorreiterrolle gerecht werden? Welche technischen Herausforderungen gibt es? Und was bedeutet das für die Mieterinnen und Mieter?

Diesem Fragenkomplex nähern sich drei Experten der GEWOBA, die als Prokuristen Verantwortung für unterschiedliche Fachgebiete tragen, aus ihrer Perspektive und geben Antworten.
 

Wo liegt der größte Hebel für die GEWOBA beim Thema Klimaschutz?

Thomas Scherbaum, Leiter Immobiliendienstleistungen:
Als „schlafenden Riesen“ beim Klimaschutz bezeichnet die Deutsche Umwelthilfe den Gebäudesektor. Rund ein Drittel der Endenergie wird hier verbraucht und 30 Prozent der Treibhausgasemissionen Deutschlands entstehen hier. Sowohl für das Erreichen der nationalen als auch der Bremer Klimaziele muss der Gebäudesektor weitgehend treibhausgasneutral werden.

Ist das noch ein großes Thema für Sie, nachdem die GEWOBA ihre Gebäude doch in den Vorjahren schon umfangreich gedämmt hat?

Martin Klimkeit, Leiter Bestandstechnik und Immobilienbewertung:
Auch in der 2021 neu aufgelegten Klimastrategie der GEWOBA nimmt der Gebäudesektor die größte Rolle ein. Mit dem Ziel, die Wärmeabnahme zu reduzieren, haben wir die Modernisierung der Gebäudehüllen weiter vorangetrieben und inzwischen eine energetische Gebäudesanierungsquote von 97,1 Prozent voll- und teilsanierter Gebäude erreicht. Allerdings prüfen wir die in den 1990er Jahren gedämmten Gebäude bereits erneut, weil die Standards von damals heute nicht mehr ausreichen.

Was tut die GEWOBA noch, um ihrem Anspruch und ihrer Vorreiterrolle gerecht zu werden?

Thomas Scherbaum:
Klimaneutralität im Wohnungsbestand setzt auch eine dekarbonisierte Wärme- und Stromversorgung voraus. Da die Wärmeversorgung aktuell zu über 70 Prozent mit Fernwärme erfolgt und die Stromversorgung überwiegend über das öffentliche Stromnetz, liegt hier die Verantwortung zuerst einmal bei den Versorgungsunternehmen. Die Dekarbonisierung der Energieversorgung kann und muss jedoch durch zielführende Maßnahmen im Wohnungsbestand unterstützt und vorangetrieben werden. Diese Erkenntnis hat zu einem Perspektivwechsel geführt: Stand bei der energetischen Modernisierung bislang die Energieeinsparung im Vordergrund, so nehmen wir jetzt die baulichen Anpassungen der Gebäude an die Anforderungen einer Wärmeversorgung mit erneuerbaren Energien in den Fokus.

Martin Klimkeit:
Und das ist tatsächlich deutlich herausfordernder als man denkt. Wir richten zunächst den Blick auf die durch unsere Tochtergesellschaft GEWOBA Energie GmbH (GEG) versorgten Gebäude, also rund 30 Prozent unseres Bestandes. Wenn wir diese auf regenerative Energien umstellen, kann das eine Absenkung der Vorlauftemperaturen zur Folge haben. Wie das mit den vorhandenen Heizungsanlagen möglich ist oder welche Anpassungen erforderlich sind, müssen wir im ersten Schritt prüfen. Dafür muss tatsächlich die Heiztechnik nicht nur in jedem Gebäude, sondern auch in jeder einzelnen Wohnung untersucht und dokumentiert werden. Ein großes Aufgabenpaket, für das wir mindestens ein Jahr veranschlagen. Im Laufe dieser Phase wird sich herausstellen, wie groß die Arbeitsvolumina für die Folgejahre sein werden. Und wenn unsere Fernwärmelieferanten ebenfalls auf erneuerbare Energien umstellen, wiederholt sich der Prozess für die übrigen 70 Prozent.

Sie gehen also in alle Wohnungen. Wie läuft da die Kommunikation mit den Mietern?

Manfred Corbach, Leiter Immobilienwirtschaft:
Fassadendämmung, Austausch der Fenster, neue Haustüren oder neue Bäder – das sind Themen, die jeden Kunden erfreuen und verständlich sind. Jetzt beschäftigen wir uns mit der Gebäudetechnik und wenn Änderungen erforderlich sind, verursachen die Arbeiten Störungen, ohne dass die Kunden sichtbare Veränderungen oder eine unmittelbare Verbesserung für sich wahrnehmen. Wir sind ja im letzten Jahr bereits mit der Elektromodernisierung, also der Erneuerung der Elektroinstallationen, gestartet. Die betroffenen Mieterinnen und Mieter haben wir zuvor angeschrieben und gerade entwickeln wir ein „Erklärvideo“, weil wir feststellen mussten, dass einige Details nur mit ausführlicheren Informationen zu verstehen sind.

​​​​​​​Müssen in allen Gebäuden die Elektroinstallationen modernisiert werden?

Martin Klimkeit:
Neuere Bauten sind natürlich nicht betroffen, aber in einem erheblichen Teil unserer Objekte werden wir in den nächsten Jahren die Elektroinstallationen vom Hausanschluss bis in die Wohnungen modernisieren. Das ist unerlässlich für den Einbau von Photovoltaikanlagen oder Ladeinfrastrukturen für Elektromobile und verbessert zusätzlich den Brandschutz.
 

Welche Bedeutung spielt Photovoltaik bei der GEWOBA?

Thomas Scherbaum:
Wir haben uns das Ziel gesetzt, alle Dächer von GEWOBA-Gebäuden, die neu errichtet oder grundlegend erneuert werden, bestmöglich mit Photovoltaik zu belegen. Das Thema nimmt gerade Fahrt auf. Die Planung und Umsetzung erfolgt über unsere Tochtergesellschaft, die GEWOBA Energie GmbH. Zum Jahreswechsel waren bereits 28 Photovoltaikanlagen mit 754 kWp Leistung installiert.

Wir beschäftigen uns neben der Photovoltaik auch intensiv mit den technischen Möglichkeiten der klimaneutralen Wärmeversorgung und sind im Gespräch mit industriellen Herstellern. Zum Beispiel könnten Großwärmepumpen eine Option sein. Allerdings ist hier die technische Entwicklung noch nicht abgeschlossen.
 

Wie wollen Sie diese großen Vorhaben finanzieren?

Martin Klimkeit:
Zunächst werden wir in sehr unterschiedlichen Initialprojekten, die wir definiert haben, verschiedene technische Lösungen umsetzen und die Erfahrungen auswerten. Und wir werden im Rahmen unserer Klima-Roadmap die Wirtschaftsplanung und Finanzierbarkeit ausloten.
 

Was wird das für Ihre Kundinnen und Kunden bedeuten?

Manfred Corbach:
Uns ist sicherlich allen klar, dass die beschriebenen Maßnahmen dringend erforderlich sind. Allerdings hat gerade das vergangene Jahr mit den enormen Kostensteigerungen für Wärme und Energie unseren Kundinnen und Kunden schon viel abverlangt. Darum müssen wir uns, neben dem Aspekt des Klimaschutzes, auch weiterhin dem Thema der Einsparungs- und Verbesserungspotenziale widmen. Viele unserer Kundinnen und Kunden haben allerdings nicht den finanziellen Spielraum, für klimafreundliches Wohnen deutlich mehr zu bezahlen. Zwischen den beiden Zielen, klimaneutraler Wohnungsbestand und bezahlbarem Wohnraum besteht also ein Zielkonflikt, den wir mit intelligenten Konzepten und Augenmaß lösen müssen. Nur eins ist auch klar: Klimaschutz ist nicht kostenfrei zu erlangen.
 

Gibt es auch spürbare Vorteile für die GEWOBA-Mieterinnen und -Mieter?

Manfred Corbach:
Ja, die gibt es. Wir setzen bereits seit einigen Jahren neue Grünflächenkonzepte um und entwickeln unsere Quartiere zu klimaresilienten Orten mit einer hohen Biodiversität und Aufenthaltsqualität. Dazu gehört auch der Ausbau unterschiedlicher Mobilitätsangebote und Ladeinfrastrukturen, von denen unsere Mieterinnen und Mieter profitieren.
 

Wie würden Sie Ihr Verständnis der Vorreiterrolle der GEWOBA zusammenfassen?

Die Zielsetzung eines klimaneutralen Wohnungsbestandes ist eine wirkliche Herkulesaufgabe und wird nur schwer umzusetzen sein, da gibt es nichts zu beschönigen. Insbesondere die Umstellungszeitpunkte der Fernwärmeversorger bestimmen den zeitlichen Ablauf. Allerdings können wir bei der GEWOBA als Eigentümerin zusammenhängender Siedlungen die erforderlichen energetischen und Klimaschutzmaßnahmen insbesondere durch optimierten Einkauf im Vergleich zu privaten Immobilieneigentümern kostengünstiger durchführen und auch großflächige Maßnahmen, wie Grünflächenkonzepte oder Mobilitätsangebote dank kurzer Entscheidungswege zeitnah umsetzen. Also: Wer, wenn nicht wir?

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